Zur Abgrenzung des Coachings vom zulassungspflichtigen Lehrgang im Fernunterricht

Anmerkung zu OLG Düsseldorf, Urteil vom 30.10.2025 – I-10 U 172/24

Stolze 19.631,43 € verlangte die Klägerin für ein „Coaching“ im Steuerrecht vom Beklagten – und das auch noch als Vorkasse. Erhalten sollte der Beklagte dafür ein rund 500 Seiten dickes Handbuch mit steuerrechtlichen Vorschriften und die Möglichkeit, sich acht Online-Module freischalten zu lassen. Wenn der Beklagte Fragen zu den erlernten Inhalten hatte, sollte er diese in regelmäßig stattfindenden Live-Webinaren stellen können. Abgeschlossen wurde das von der Klägerin angebotene Programm durch zwei „Live-Events zum Netzwerken“ und „Zugang zu einer High-Class-Community“. Am Ende sei der Teilnehmer „durch das erfahrene Wissen für seine Umgebung so unermesslich wertvoll, dass jeder gerne mit ihm in Kontakt tritt (ultimatives immaterielles Asset & höchste Spannungsbilanz)“.

Dass hier viel heiße Luft für noch mehr Geld versprochen wurde, fand dann auch der Beklagte und widerrief den mit ihm angeblich bereits geschlossenen Vertrag. Die Klägerin bestand jedoch auf Zahlung: Der Kunde habe den Vertrag als Einzelunternehmer und nicht als Verbraucher geschlossen, ein Widerrufsrecht stehe ihm somit nicht zu. Auch den Einwand des Beklagten, dass der Kurs nicht nach dem Fernunterrichtsschutzgesetz (FernUSG) zugelassen und der Vertrag deshalb nichtig sei, konterte die Klägerin mit dem Hinweis darauf, dass der Kunde als Unternehmer gehandelt habe; auf Verträge mit Unternehmern, so die Klägerin, finde das FernUSG keine Anwendung. Davon abgesehen handele es sich gar nicht um Fernunterricht, weil es an der dafür erforderlichen überwiegenden räumlichen Trennung von Lehrendem und Lernendem und an einer Lernerfolgskontrolle fehle (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 u. 2 FernUSG).

Das LG Düsseldorf (Urteil vom 02.12.2024 – 9a O 99/24) gab der Klage auf Zahlung der Kursgebühr statt. Anders entschied nun das OLG Düsseldorf in der Berufung:

Der Vertrag sei wegen Fehlens der nach § 12 FernUSG erforderlichen Zulassung nichtig, ein vertraglicher Anspruch auf Zahlung der Kursgebühr bestehe daher nicht. Zur Begründung bezog sich das OLG Düsseldorf auf eine (nach Erlass des Urteils des LG Düsseldorf ergangene) Entscheidung des BGH. Hiernach beschränkt sich der persönliche Anwendungsbereich des FernUSG nicht auf Verträge mit Verbrauchern, sondern erstreckt sich auf alle Personen, die mit einem Veranstalter einen Vertrag über die Erbringung von Fernunterricht im Sinne des § 1 FernUSG schließen (BGH, Urteil vom 12.06.2025 – III ZR 209/24).

Das OLG Düsseldorf hatte auch wenig Zweifel daran, dass der hier in Rede stehende Vertrag auf die Erbringung von Fernunterricht i.S.d. § 1 Abs. 1 FernUSG gerichtet war. Eine überwiegende räumliche Trennung von Lehrendem und Lernendem ergebe sich daraus, dass der Schwerpunkt der Wissensvermittlung im Rahmen der Online-Module und Videos liege, bei denen keine Möglichkeit zu einer direkten Kontaktaufnahme mit dem Lehrenden besteht.

Und für das Tatbestandsmerkmal der Lernerfolgskontrolle ließ es das OLG Düsseldorf – entgegen OLG Köln, Urteil vom 06.12.2023 –  2 U 24/23 und OLG Hamburg, Urteil vom 20.02.2024 – 10 U 44/23  – genügen, dass der Lernende den Anspruch hatte, in einer begleitenden Unterrichtsveranstaltung mündlich Fragen zum erlernten Stoff zu stellen. Ein solcher Anspruch, so das OLG Düsseldorf in den Entscheidungsgründen, brauche nicht ausdrücklich vereinbart zu werden, sondern könne sich aus einer Auslegung des Vertrages ergeben. Im Rahmen der Auslegung könne die Bezeichnung „Coaching“ für eine Beschränkung auf eine persönliche Beratung und Begleitung sprechen und damit gegen einen Anspruch auf eine Erfolgskontrolle gewertet werden. Für einen solchen Anspruch spreche hingegen, wenn ein Angebot als „Studium“ oder „Lehrgang“ und der (erfolgreiche) Teilnehmer als „Absolvent“ bezeichnet wird, dem ein „Zertifikat“ erteilt wird.  Im hier entschiedenen Fall hatte die Klägerin ihr Programm zwar mit „Coaching“ überschrieben, für das OLG Düsseldorf zählte aber weniger die Überschrift als der Inhalt des Programms. In diesem fand das OLG Düsseldorf hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass der Beklagte das Recht haben sollte, in den begleitenden Webinaren durch mündliche Fragen zum erlernten Stoff eine individuelle Kontrolle seines Lernerfolgs einzufordern. Dass nicht die Begriffe „Studium“ oder „Lehrgang“ Vertragsinhalt waren, war nach Auffassung des OLG Düsseldorf unschädlich, zumal die Teilnehmer des Coachings zumindest ein Zertifikat mit dem Inhalt „Absolvent des Next Level Steuercoachings“ erhalten sollten.

Fazit:
Anbieter von Online-Coachings mit strukturierter Wissensvermittlung, flankiert durch individuelle Fragemöglichkeiten, bewegen sich regelmäßig im Anwendungsbereich des FernUSG und benötigen eine behördliche Zulassung. Andernfalls sind abgeschlossene Verträge nichtig, unabhängig davon, ob die Teilnehmer Verbraucher oder Unternehmer sind.

Vertreten wurde der Beklagte in der Berufungsinstanz von unserem Partner Bernd Klassen. Er ist in unserer Kanzlei für das Rechtsgebiet „Handels- und Gesellschaftsrecht“ verantwortlich.