BGH Urteil vom 19.07.2024, Az.: V ZR 139/23 : Prozesskosten tragen alle Wohnungseigentümer
Es klingt ungerecht: Auch diejenigen Wohnungseigentümer, die im Rahmen einer Beschlussanfechtungsklage gegen die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer (GdWE) klagen und gewinnen, müssen sich an den Prozesskosten der unterlegenen Gemeinschaft beteiligen. Das hat der Bundesgerichtshof (BGH) in dem hierzu besprechenden Urteil entschieden. Warum ist das so und haben die Wohnungseigentümer, die das Verfahren gewonnen haben, eine andere Möglichkeit dieses Ergebnis zu vermeiden?
Was war geschehen? Eine GdWE verlor eine von verschiedenen Wohnungseigentümern erhobene Beschlussklage, die Prozesskosten musste die GdWE tragen. Kurze Zeit danach beschließen die Eigentümer, diese Prozesskosten durch eine Sonderumlage zu finanzieren. Je Wohnungseigentumseinheit sollte (entsprechend der Kostentragungsregelung der Gemeinschaftsordnung) ein Betrag von 800,00 EUR gezahlt werden, auch von den Eigentümern, die im Vorprozess erfolgreich waren. Die Gemeinschaftsordnung aus dem Jahr 2019 sieht vor, dass Verwaltungskosten zu gleichen Teilen auf die Wohnungseigentumseinheiten umgelegt werden. Gegen diesen Beschluss erhoben die im Vorprozess erfolgreichen Eigentümer erneut Beschlussklage. Sie vertreten die Auffassung, es würde ordnungsgemäßer Verwaltung widersprechen, sie an den Prozesskosten zu beteiligen.
Grundsätze: Der BGH klärt in der Entscheidung eine bislang umstrittene Rechtsfrage vor dem Hintergrund der WEG-Reform, die mit Wirkung zum 01.12.2020 in Kraft getreten ist. Waren Beschlussklagen bis zum 30.11.2020 gegen die übrigen Wohnungseigentümer zu erheben, sind sie ab dem 01.12.2020 gemäß § 44 Abs. 2 S. 1 WEG gegen die GdWE zu erheben. Daraus ergeben sich im Hinblick auf die Kostentragungspflicht der einzelnen Eigentümer im Falle einer erfolgreichen Beschlussklage erhebliche Konsequenzen.
Die Entscheidung: Der BGH hält zunächst fest, dass auch die Kosten, die der Gemeinschaft in einem Beschlussklageverfahren auferlegt werden, Verwaltungskosten sind. An Verwaltungskosten sind jedoch nach § 16 Abs. 2 S. 1 WEG sämtliche Wohnungseigentümer unabhängig von der Parteistellung im Vorprozess zu beteiligen. Den bis dahin vertretenen gegenteiligen Auffassungen und deren Argumenten, die hier im Detail nicht abgearbeitet werden sollen und müssen, folgt der BGH nicht. Insbesondere stellt er klar, dass nicht davon auszugehen ist, dass der Gesetzgeber im Zuge der WEG-Reform dieses Problem übersehen habe, sodass es bei der klaren Zuordnungd er Prozesskosten zu den Verwaltungskosten zu verbleiben habe.
Kommentar: Es bleibt bei den obsiegenden Eigentümern ein nachvollziehbares ungutes Gefühl. Damit stellt sich die Frage, was die anfechtenden Wohnungseigentümer denn hätten tun können. Handelt es sich bei den Prozesskosten um Verwaltungskosten, so hätte die Möglichkeit bestanden, gemäß § 16 Abs. 2 S. 2 WEG die Prozesskosten abweichend von dem in der Gemeinschaftsordnung vereinbarten (aber auch dem gesetzlichen) Verteilungsschlüssel zu verteilen. Hierzu hätte es eines eigenständigen Beschlusses vor Erhebung der Sonderumlage bedurft. Solange eine Beschlussfassung zur Änderung der Kostenverteilung aber nicht erfolgt ist, entspricht es nach der nunmehr höchstrichterlichen Rechtsprechung ordnungsgemäßer Verwaltung, bei der Beschlussfassung über eine Sonderumlage zur Finanzierung von Prozesskosten den geltenden Kostenverteilungsschlüssel anzuwenden.
Das Rechtsgebiet wird verantwortlich in unserer Kanzlei von Herrn Rechtsanwalt Ralf Schweigerer, Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht bearbeitet, sprechen Sie ihn gerne auf die Problematik an.