„EL-KI darf bleiben – BGH V ZR 203/18“
Innerstädtisch, zentral und in Ruhe wohnen, dafür gibt der Eine oder Andere gerne einmal einige 1000 EUR/m² beim Kauf einer Eigentumswohnung aus. Kinder braucht die Gesellschaft und Kinder sind per se Lärm-Emittenten; zudem leben sie mit ihren Eltern ab und an auch noch in der Nähe der zunächst beschriebenen Klientel. Das muss, so auch in dem nunmehr vom BGH entschiedenen Fall, zu Reibereien führen.
Was war geschehen? Der Fall spielt in einer gemischten Wohnungseigentumsanlage. In der im Erdgeschoss befindlichen und in der Teilungserklärung als „Laden mit Lager“ bezeichneten Teileigentumseinheit wurde ein so genanntes Eltern-Kind-Zentrum (sog. EL-KI“) betrieben. Es kam wie es kommen musste, einem Wohnungseigentümer ging der regelmäßig vom Eltern-Kind-Zentrum ausgehende Lärm zu weit und er ging gegen einen Mieter auf Unterlassung der Nutzung als Eltern-Kind-Zentrum vor. Vor dem Hintergrund der bisherigen Rechtsprechung des BGH sah er sich dabei in einer relativ sicheren Rechtsposition, denn die durch Betrieb des Eltern-Kind-Zentrums entstehenden Aktivitäten und Lärmbeeinträchtigungen sind in typischerweise lauter und störender als die eines Ladens mit einem Lager.
Die Entscheidung: Der BGH hat in der Entscheidung vom 13.12.2019 die Rechtslage insoweit anders gesehen, als er Kinderlärm im Rahmen einer typisierenden Betrachtungsweise völlig außer Betracht lässt. Kinderlärm sei aufgrund der besonderen Regelung des § 22 Abs. 1 Buchst. a BImSchG privilegiert und stehe unter einem besonderen Toleranzgebot. Die hiervon ausgehenden Geräuscheinwirkungen hätten daher im Rahmen der typisierenden Betrachtungsweise außer Betracht zu bleiben. § 22 Abs. 1 Buchst. a S. 1 BImSchG regelt bekanntlich, dass Geräuscheinwirkungen, die von Kindertageseinrichtungen, Kinderspielplätzen und ähnlichen Einrichtungen durch Kinder hervorgerufen werden, im Regelfall keine schädliche Umwelteinwirkungen darstellen. Der in dieser Vorschrift steckende gesetzgeberische Wille ziele, so der BGH, klar darauf, eine kinderfreundliche Gesellschaft sicherzustellen, was im Rahmen einer typisierenden Betrachtungsweise hinsichtlich der Überprüfung der Zweckbestimmung einer Teilungserklärung im Wohnungseigentumsrecht dazu führe, diese relevanten Störungen nicht in die Abwägung mit einzubeziehen.
Und nun?: Die Begründung des BGH führt stärker zu einer individualisierenden Betrachtung. Abweichungen vom vereinbarten Zweck der Teilungserklärung werden zukünftig zunehmen, auch vor dem Hintergrund gesellschaftlicher Veränderungen, insbesondere des innerstädtischen Lebens. Für den beratenden Anwalt ist die Einzelfallberatung schwieriger geworden, stellen sich insbesondere Fragen der Zulässigkeit einer Nutzung als Eltern-Kind-Zentrum neben gewerblich zulässiger Nutzung von Teileinheiten mit hohem Ruhebedürfnis (Arztpraxis, Yoga-Zentrum etc.). Der BGH führt insoweit aus, dass hier eine Bewertung auch zu einem anderen Ergebnis führen kann. Ansonsten bleibt dem Lärm beeinträchtigten Bewohner nur die Möglichkeit Unterlassung wegen einzelner konkreter Störungen zu verlangen. Keine wirklich gute Aussicht.
Das Rechtsgebiet wird verantwortlich in unserer Kanzlei von Herrn Rechtsanwalt Ralf Schweigerer, Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht bearbeitet, sprechen Sie ihn gerne auf die Problematik an.