Bürgenhaftung für Geschäftskonto bei fehlendem Saldoanerkenntnis
Anmerkung zu OLG Köln, Urteil vom 23.05.2024, Az. 12 U 216/20
Versäumt die Bank es, den Kunden darauf hinzuweisen, dass die nicht rechtzeitige Erhebung von Einwendungen nach ihren AGB zu einem Anerkenntnis des Rechnungsabschlusses führt, kann sie ihre Forderung aus einem Kontokorrentkonto nur in der Weise begründen, dass sie ihre in die Abrechnung einbezogenen Einzelansprüche darlegt und beweist. Gelingt ihr dies auch nur hinsichtlich eines Teils ihrer Ansprüche nicht, ist ihre auf den Gesamtsaldo gerichtete Zahlungsklage als insgesamt unschlüssig abzuweisen (OLG Köln, Urteil vom 23.05.2024 – 12 U 216/20).
Mit dieser Entscheidung hat das OLG Köln jetzt einen Schlusspunkt unter ein Verfahren gesetzt, das nicht nur eine kontroverse Erörterung im juristischen Schrifttum ausgelöst hat, sondern auch von erheblicher praktischer Bedeutung ist. In dem Verfahren hatte eine Bank einen früheren Gesellschafter und Geschäftsführer einer insolventen GmbH aus seiner Bürgschaft für ein gekündigtes Geschäftsgirokonto in Anspruch genommen. Der Beklagte hatte sich gegen seine Inanspruchnahme u.a. mit dem Einwand verteidigt, dass die Bank dem Konto über Jahre Zinsen, Gebühren und Provisionen belastet hatte, deren Berechtigung für ihn nicht (mehr) nachvollziehbar war. Zinsen, Gebühren und Provisionen waren zwar in den monatlichen Rechnungsabschlüssen auf den Kontoauszügen ausgewiesen worden, es hatte dort aber keinen Hinweis darauf gegeben, dass der Kunde Einwendungen gegen die Richtigkeit des Rechnungsabschlusses innerhalb von sechs Wochen erheben muss, andernfalls der Saldo nach den AGB der Bank als anerkannt gilt. Eines solchen Hinweises hätte es nach den eigenen – in Übereinstimmung mit § 308 Nr. 5 lit. b) BGB formulierten – AGB der Bank bedurft.
Mit seinem Einwand war der Bürge in der ersten Runde erfolglos geblieben. Zwar hatte das OLG Köln, wie zuvor schon das LG Bonn, angenommen, dass die Bank wegen des fehlenden Hinweises auf die Genehmigungsfiktion die Klage nicht auf einen anerkannten Rechnungsabschluss stützen könne. Es hatte aber gemeint, dass der Bürge nach §§ 768 Abs. 1, 676b Abs. 2 BGB mit seinen Einwendungen gegen die Belastungsbuchungen ausgeschlossen sei, weil er sie später als 13 Monate erhoben hatte. Aus diesem Grund hatte es die Berufung des Bürgen gegen das der Klage stattgebende Urteil der Vorinstanz abgewiesen (Urteil vom 28.10.2021 – 12 U 216/20, BKR 2022, 315 m. Anm. Pietzko).
Der BGH hob das Urteil des OLG auf und stellte zur Begründung klar, dass der Ausschluss des § 676b Abs. 2 BGB nur Ansprüche und Einwendungen erfasst, denen ein nichtautorisierter (vgl. § 675u BGB) Zahlungsvorgang zugrunde liegt oder die auf einer nicht erfolgten, fehlerhaften oder verspäteten Ausführung eines Zahlungsauftrags beruhen. Einwendungen gegen die Belastungen des Kontos mit Zins-, Provisions- und Gebührenansprüchen der Bank zählten nicht dazu (BGH, Urteil vom 11.07.2023 – XI ZR 111/22, BGHZ 238, 18 = EWiR 2023, 513 m. Anm. Herresthal).
Da der BGH die Sache zur erneuten Verhandlung zurückverwies, hatte sich das OLG Köln erneut mit dem Fall zu befassen und entschied nun:
Es sei dem Beklagten nach Maßgabe des Urteils des BGH nicht verwehrt, den Saldo des letzten Rechnungsabschlusses insoweit zu bestreiten, als darin Gebühren-, Zins- und Provisionsansprüche der Bank erfasst seien. Soweit im Übrigen der Einwendungsausschluss gemäß §§ 768 Abs. 1, 676 Abs. 2 BGB zur Anwendung komme, wäre es Sache der Bank gewesen, konkret vorzutragen, welcher Kontokorrentsaldo zum Abschlussstichtag netto – also ohne Berücksichtigung der Gebühren-, Zins- und Provisionsansprüche – bestanden hat. Auf den entsprechenden Hinweis des Senats hatte die Bank indes erklärt, dass eine Berechnung nicht mehr möglich sei. Dies ist nachvollziehbar: Da gem. § 355 Abs. 1 HGB die Gebühren-, Zins- und Provisionsansprüche am Ende jeder Rechnungsperiode dem Kapital zugeschlagen und fortan zusammen mit diesem verzinst werden, hätte eine Neuberechnung bei der Eröffnung des Kontos ansetzen müssen. Das kann bei einem Geschäftskonto, das wie hier über Jahre bestand, mit vertretbarem Aufwand nicht durchgeführt werden, zumal als Ergebnis einer solchen Berechnung eine – wenn überhaupt – nur erheblich geringere Forderung verblieben wäre.
Daher wies das OLG Köln die Klage letztlich ab.
Vertreten wurde der Beklagte in dem Rechtsstreit von unserem Partner Bernd Klassen, Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht. Üblicherweise vertritt er die Interessen der Zahlungsdienstleister. Wie diese es besser machen sollten als die Klägerin im vorliegenden Fall, hat er in seiner Urteilsanmerkung zu BGH vom 28.01.2014 – XI ZR 424/12 in der BKR 2014, 262 ff. dargelegt.