Keine Erschütterung des Anscheinsbeweis bei Einsatz der Originalkarte mit PIN zwei Tage nach ihrem Einsatz durch den Berechtigten

Anmerkung zu LG Köln, Urteil vom 06.03.2025 – 22 O 275/24

Wenn mit einer gestohlenen Bankkarte unter Eingabe der richtigen PIN Abhebungen am Geldautomaten oder Zahlungen an POS-Kassen vorgenommen werden, spricht ein Beweis des ersten Anscheins dafür, dass der Berechtigte dem Täter die Kenntnis der PIN pflichtwidrig verschafft hat. Dies z.B., indem er die PIN auf der Karte notiert oder zusammen mit dieser aufbewahrt hatte (BGH, Urt. v. 29. 11. 2011 − XI ZR 370/10, NJW 2012, 1277; BGH, Urt. v. 05.10.2004 – XI ZR 210/03, NJW 2004, 3623). In diesem Fall kann die Bank einem gegen sie gerichteten Anspruch auf Wiedergutschrift der Belastungsbuchungen einen Anspruch auf Schadensersatz entgegenhalten.

Der Berechtigte kann aber den Anscheinsbeweis erschüttern, indem er die ernsthafte Möglichkeit eines atypischen Geschehensablaufs konkret und nachvollziehbar darlegt (BGH Urt. v. 7. 2. 2013 – III ZR 200/11, juris Rn. 28). So kommt ein Ausspähen der PIN in Betracht, wenn ein näherer zeitlicher Zusammenhang zwischen einer Kartennutzung durch den Berechtigten mit Eingabe der PIN und dem Diebstahl besteht (AG Köln, Urt. v. 22.12.2014 – 142 C 141/13, NJW-RR 2015, 888, 890) oder wenn kurz vor der ersten nicht autorisierten Verfügung der Betroffene seine Einkäufe selbst an einem POS-Terminal im Lebensmittelmarkt bezahlt hat (OLG Stuttgart Urt. v. 08.02.2023 – 9 U 200/22, NJW-RR 2023, 1024 Rn. 28).

Das LG Köln hat nun die Anforderungen an den zeitlichen Zusammenhang zur Erschütterung des Anscheinsbeweises konkretisiert. Es hat die ernsthafte Möglichkeit eines Ausspähens verneint, wenn zwischen dem letzten Einsatz der Karte und den unberechtigten Verfügungen zwei Tage liegen. Wäre die PIN beim letzten Einsatz der Karte ausgespäht worden, hätte es, so das LG Köln zur Begründung, nahegelegen, dass die Karte unmittelbar nach ihrer Erlangung eingesetzt wird, um zu verhindern, dass sie vorher gesperrt wird. Ebenso unwahrscheinlich sei, dass der Karteninhaber für die Erlangung der Karte oder der PIN zwei Tage von einem Dritten verfolgt wurde.

Der klagende Karteninhaber hatte den zeitlichen Abstand von zwei Tagen als Indiz dafür angeführt, dass die Täter auf die Auswertung von Bild- oder Videomaterial angewiesen waren, das sie im Zuge des Ausspähens angefertigt hatten. Alternativ sei auch die Möglichkeit in Betracht zu ziehen, dass eine Methode wie das „Skimming via Machine-Learning“ angewendet wurde, bei der die PIN selbst bei verdeckter Eingabe am Automaten durch den Einsatz von Künstlicher Intelligenz ermittelt werde. Doch auch diese Argumentation überzeugte das LG Köln nicht. Es handle sich um rein abstraktes Vorbringen, das nicht geeignet sei, ernstliche Zweifel am typischen Geschehensablauf zu erwecken.

Vertreten wurde die beklagte Bank in dem Rechtsstreit von unserem Partner Bernd Klassen, Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht. Rechtsanwalt Bernd Klassen und unser weiterer Partner, Rechtsanwalt Dr. Klaus Martin Klassen, sind in unserer Kanzlei für das Rechtsgebiet „Bankrecht“ verantwortlich.